Klangraum 02  Text
 

Georg Schalla

Aus der Notwendigkeit einer Aufarbeitung der musikalischen Darstellung im Klassischen – in seiner Repräsentation durch das Orchester (Fixierung bzw. Konservierung auf Papier durch Notenzeichen) – heraus, fand ich nach und nach zu neuen Ideen und Möglichkeiten, die Zusammenhänge in der Musik künstlerisch zu gestalten; hierbei greife ich auf die neuen gestalterischen Möglichkeiten zeitgenössischer Kompositionstechnik zurück.

Es stellte sich für mich das Problem, das Alte mit dem Neuen zu verbinden und mich dabei sämtlicher künstlerischer und gestalterischer Ausdrucksmittel zu bedienen – ohne konventionelle Verpflichtung. Auf dem Wege des notwendigen künstlerischen Experiments fand ich eine Lösung: Sämtliche künstlerische Medien müssen auf einem neuen Bewusstseinsfeld in einer neuen Form zusammengeschlossen werden, denn nur auf diesem Wege kann man der Dreidimensionalität einer künstlerischen Vision gerecht werden.

 

Projektbeschreibung

Die Konzeption eines Musikraumes soll die Möglichkeit einer Erweiterung des Betätigungsfeldes herkömmlicher Instrumentaltechnik bewusst machen. Unter MUSIKRAUM verstehe ich hier einen Instrumentalkasten besonderer Art:

Im 15 m (Breite) x 30 m (Länge) x 6 m (Höhe) entsteht auf einer Stahlkonstuktion mit Holz verkleidet ein geschlossener Instrumentenkasten, in dem sich ein eigenständiges Instrument mit spezifischer Klangcharakteristik und verinnerlichten Partituren befindet.

Der von mir entwickelte Raum als solcher ist Instrument – die Agierenden sind Instrumente im Instrument.

Partituren, die sich verselbständigt und zu Objekten und Reliefs verwandelt haben, verlangen nach einer völlig neuen Aktivierung. Es ist eine Instrumentenhandhabung erforderlich, die über das bisher Gekannte hinausgeht – die Musiker betreten ein experimentelles Improvisationsfeld, auf das die Klanginstallationen wiederum selbständig reagieren. Es entsteht ein erweiterter Wechseldialog zwischen Akteur und Instrument. Damit bewirkt der Musikraum eine Aufhebung zwischen Subjekt und Objekt.

Sowohl die Musiker, als auch da Publikum erfahren ein Klangerlebnis, das nicht nur von musikalischen Strukturen, sondern auch von einer visuellen künstlerischen Ausdruckskraft und Dynamik bestimmt ist. Der Musikraum ermöglicht die Existenz einer metaphysischer Sphäre, die während der Aktion zur eigentlichen Wirklichkeit wird.

Die bildnerische Gestaltung im Inneren des Musikraumes folgt dem Evolutionsprinzip und greift Elemente der Natur und des Kosmos auf, die einen Kreislauf sichtbar machen, aber auch an die Urformen des Klangs erinnern. Es folgt eine Einblendung in die Musikgeschichte. Berühmte Komponisten verschiedener Epochen treten mit ihren Errungenschaften fragmentarisch in die Gegenwart.

Die Trennung von Kunst und Natur soll im MUSIK-RAUM überwunden werden und dadurch tiefere Sinnzusammenhänge bewusst machen. Der ästhetische Schein der Kunst fließt mit der Wirklichkeit zusammen, die innerhalb ihres eigenen Raumes absolut konkret ist.

Die im Laufe der Zeit (seit der Volksmusik im Barock) immer intensiver gewordene Abstraktion der Instrumentalmusik wird zu ihrem Ursprung zurückgeführt. Die Instrumente sind nur noch – wenngleich auch bespielbare Kulisse. Die Musiker müssen selbstbezogen, spontan und intuitiv den Raum aktivieren.

 

 

Stirnseite I

  • ein gesamtes Orchester in seiner Bewegung eingefroren
  • Musiker in ihren Instrumentenkästen eingebaut
  • großes Orgelfigurenobjekt
  • die Wand hinter dem Orchester wird als Holzrelief gestaltet; Strukturen von urperiodischen Geräuschen (Urknall) verwandeln sich zu plastisch gebauten Wellen (Meer: Ebbe und Flut)

Stirnseite II

  • auswechselbare Doppelseite
  1. Holz-Metall-Relief: Hommage à Claude Debussy „La Mer"
  2. Großes Diagramm für die Bereiche Video, Computergrafik, Computeranimation, Film/Dia mit Bezug zur Performance

Seitenwand I

  • plastisch bespielbare Installationen (Sternbilder, die an zeitgenössische Notationstechniken erinnern)
  • jeder Körper klingt anders
  • atmosphärische Strukturen (Weltmusik – verschiedene planetarische Verhältnisse sind existent)
  • farbige, in den Raum greifende Installationen aus Stahlseilen und Edelstahlplatten (den Sternbildern folgt eine bespielbare Odysee)
  • Metallcollagen für Noten und Instrumente (große Explosion)

Seitenwand II

  • Labyrinth aus Notationslinien, mechanisches Spiel für Stahlkugeln, welche die Raumobjekte akustisch in Betrieb setzen
  • Bereich Performance (Figuren treten als Schatten aus der Wand und schreiten in den Raum)
  • großes Installationsgerüst für Akteure
  • Bildprojektionsleinwände (oben: Industriekultur, mechanische Außenwelt, dementsprechende Klangstrukturen; unten: fließendes Wasser als Übergang zur Stirnseite I)